Das Y-Kollektiv hat am 19.05.2025 eine Reportage über Neonazis am Erfurter Herrenberg gemacht. Als Beleg wurden einzig Nazischmierereien gezeigt. Diese sind tatsächlich ein Skandal, nur leider aus ganz anderen Gründen.
Erfurt in den bundesweiten Medien! Und dann geht es auch noch um eine unserer Spezialitäten: Neonazis!
Klar, FUNK stand in der Vergangenheit schon häufiger für seine Methoden in der Kritik und auch uns ist da noch der Streit zwischen Rezo und STRG-F im Hinterkopf gewesen. Darum sind wir auch nicht über ihren Kanal, sondern über diesen tollen Artikel von Übermedien darauf aufmerksam geworden.
Aber genau, wie es schon bei STRG_F in der Kritik stand, wurde auch diesmal wieder eine Eingangsthese formuliert, die die Reporterin offensichtlich bestätigt wissen wollte.
Die Reporterin, als weiße CIS-Frau, hat direkt ein Pfefferspray mitgenommen und hat sich entgegen ihrer Prämisse nur wenig mit Anwohner*innen auseinandergesetzt und übernachtete entgegen ihrer Behauptung auch nicht auf dem Herrenberg, sondern in Melchendorf. Sie hat buchstäblich Eier bemalt und ausgeblasen sowie ihre Vermieterin und einen Seniorentreff unwidersprochen rumschwurbeln lassen.
Und als es Widerspruch gab, wurde dieser unzulässig gekürzt, sodass teils nicht mal die Eingangsfrage zu hören war (z.B. im Interview der 2 FLINTA* vom Herrenberg).
Aber wo sollte auch die Zeit dafür herkommen, wenn sie neben ihrer journalistischen Tätigkeit, parallel in einer Geflüchteten-Unterkunft ein temporäres Praktikum absolviert? „Vielleicht hatte ich Glück“ meinte sie, als sie resümierte, dass alle dort freundlich zu ihr waren. Dazu gab es cineastische Kamerafahrten vor dem Plattenbau, damit auch alle ganz genau wissen, wo diese Einrichtung steht.
Leute, habt ihr keine Redaktion im Hintergrund!? 😵💫
Nazis am Herrenberg
Und dabei ist es nicht so, dass es am Herrenberg keine Neonazis gebe. Im Gegenteil braucht es inzwischen Glück, keinem von Haarausfall gebeutelten Modeverbrechen (Thor Steinar, Alpha Industries etc.) über den Weg zu laufen, aber leider ist das auch in anderen Stadtteilen nicht mehr besser:
Als die Stielerstraße 1 am Großen Herrenberg dichtgemacht wurde, haben die dort ansässigen Neonazis von NPD/Die Rechte/3. Weg/Neue Stärke keinen ernstzunehmenden Ersatz gefunden. Auch die Garage in Erfurt-Nord wurde relativ schnell gekündigt. Parallel mussten sie sich im Herrenberg-Prozess vor dem Landgericht verantworten. Seitdem ist es deutlich ruhiger um die Gruppe geworden und auch die Kammwegklause in der Tungerstraße am Herrenberg musste dichtmachen.
Als Ersatz gibt es nun ein Stadtteilzentrum (STZ) für einen friedlichen sozialen Austausch am Herrenberg. Übersetzt heißt das, dass der Herrenberg erfolgreich eine bundesweit bedeutsame Faschotruppe losgeworden ist, auf deren ehemalige Unterkunft die Kamera ja auch regelmäßig schwenkt! Doch statt aus diesem wirklich positiven Beispiel Lehren abzuleiten, wird in der Doku einfach nur abstrakt rumgeschwurbelt, wie schlimm die Situation doch sei.
Als Beleg wurden die Wahlergebnisse angeführt: Fast die Hälfte habe AfD gewählt. Und mit 45% Wahlanteil stimmt das auch (Ergebnisse)!
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- Nur trifft das eben auch auf andere Stadtteile in Erfurt zu: Kühnhausen 51%, Mittelhausen 47%, Stotternheim 44%, Schwerborn 51%, Sulzer Siedlung 40%, Gispersleben 39%, Tiefthal 38%, Töttelstädt 44%, Aalach 41%, Moskauer Platz 43%, Roter Berg 43%, Kerspleben 40%, Wallichen 44%, Vieselbach 44%, Azmannsdorf 40%, Rieth 42%, Berliner Platz 40%, Schaderorde 41%, Frienstedt 40%, Gottstedt 40%, Urbich 41%, Hochstest 44%, Schmira 39%, Dittelstedt 47%.
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- Auch auf ganze andere Städte in Thüringen (Ergebnisse) und ganz Sachsen (Ergebnisse) haben solche Werte: Altenburg 41%, Saale-Orla-Kreis 41%, Sonneberg 40%, Hildburghausen (mit AfD-Bürgermeister) 40%, Bockau 53%, Johanngeorgenstadt 52%, Erzgebirge 51%, Raschau-Makersbach (51%), Grünhain-Beierfeld 50%, Elterlein 52%, Schlettau 50%, Königswalde 50%, Jöhstadt 55%, Wiesenbad 50%, Deutschneudorf 61%, Heidersdorf 56%, Bärenstein 53%.
Damit sticht der Herrenberg also nicht heraus. Dabei gibt es aber tatsächlich in diesem Viertel mit dem 3.Weg/NRJ eine Nazitruppe, wenn auch nicht exklusiv auf dem Herrenberg, sondern in ganz Erfurt Süd-Ost (insb. Melchendorf, Kleiner Herrenberg, Großer Herrenberg, Wiesenhügel, Drosselberg), wie wir im Folgenden beweisen werden. Auch die Schnittmenge mit dem Montsgsschwurbel wurde nicht aufgearbeitet, obwohl sie in der Doku die notwendigen Stichworte ‚montags‘ und ‚Anger‘ von den Geflüchteten bekommen haben.
Als letzter Beleg wurden Nazischmiererein gezeigt, aber weder ihr Hintergrund, noch ihr Ausmaß dargelegt. Auch das beweist nichts, doch statt nur zu nörgeln können wir das doch besser:
Nazischmierereien am Herrenberg und der Umgang der Stadt damit
Im Folgenden werden wir daher Nazischmierereien in Erfurt Süd-Ost dokumentieren. Wir haben unseren Befund von vor einem halben Jahr über den Mängelmelder an die Stadt gemeldet, dieser wurde auch dort eingetragen und daher verlinken wir auch die jeweilige Meldung. Bewertet einfach selbst, ob sich das gelohnt hat:
Zur Karte (interaktiv, mit verlinkten Beweisbildern und Meldungen)🟩 Graffiti entfernt
🟨 Graffiti unzureichend übersprüht oder neue Graffitis
🟥 Alles wie bei der Meldung
🟦 Graffitis ohne Meldung
Wir können also festhalten, dass die Stadt nur selten etwas unternimmt. Meist sind es lokale Antifas, die etwas gegen die großflächigen Schmierereien machen und wenn durch die Stadt übersprüht wird, dann so, dass entweder noch etwas zu erkennen ist, oder kurz darauf etwas Neues dazukommt. Dennoch fällt auf, dass die Schmierereien fast immer auf dieselbe Gruppe vom 3.Weg/NRJ verweisen und dass z.B. Nick Schwiderski auf dem Wiesenhügel für den 3. Weg im Ortsteilrat saß (inzwischen nicht mehr).
Das ist besonders deswegen interessant, weil mit genau solchen Schmierereien die wegen ‚Bildung einer terroristischen Vereinigung‘ angeklagte Gruppe ‚Knockout 51‘ aus Eisenach laut Generalbundesanwalt ein ‚Nazikiez‘ etablieren konnte, was einerseits als Beweis und andererseits strafverschärfend zu berücksichtigen sei.
Auch fanden dort am 30.11.2024 mehrere Kundgebungen dieser Gruppe statt: Am Melchendorfer Markt, in der Blücherstraße und der Tschaikowskistraße.
Uns würde vor diesem Hintergrund mal interessieren, was die Polizei Erfurt-Süd dazu sagt, dass sie fast den ganzen Stadtteil besprühen konnten. Aber das zu erfragen wäre ja journalistischer Aufwand und noch dazu zur Reportage thematisch passend gewesen 🙄
Darum fordern wir hiermit Stadträt*innen und Journalist*innen, die das hier lesen, auf, die Polizei in Erfurt-Süd dazu mal auszuquetschen. Auch die müssen, wie wir gerade belegt haben, eigentlich nur mal die Straßenseite wechseln, um diese Schmierereien zu sehen. Uns stellen sich daher folgende Fragen an die Polizei in Erfurt-Süd:
- Sind die Graffitis bekannt und werden diese dokumentiert?
- Wie oft schaut die Polizei in den Mängelmelder?
- Was sollte ablauftechnisch passieren, wenn Polizeibeamte solche Schmiererein zu Gesicht bekommen?
- Gibt es Hinweise auf die Urheberschaft dieser Schmierereien?
- Die befinden sich im ganzen Zuständigkeitsgebiet: Wurde in den letzten 12 Monaten mal jemand beim Anbringen ähnlich gearteter Schmierereien aufgegriffen?
- Wie sollen Anwohner*innen, die das stört, damit umgehen?